Energie & Rohstoffe
App: CO2-Fußabdruck Lebensmittel
Supermarkt-Produkte für Vor-, Haupt- und Nachspeise im Battle
Nuri aus Barcelona, Paul aus Tuttlingen und ich (24, ledig, isst gern) wohnen zusammen. Und wir kochen. Genau genommen haben wir Döner und Pizza abgeschworen seit dem zweiten Lockdown Anfang 2021. An Wochenenden stellen wir ganze Menüs auf die Beine. Vor-, Haupt- und Nachspeise losen wir zu und verwandeln die Küche in eine produktive Partyzone.
Das Ergebnis gestern, an einem verregneten kühlen Märztag, grenzt an atemberaubend :) Nuri reichte Ofengemüse, falsche Aioli (Knoblauch-Mayonnaise) und Pinchos (Spieße mit Hühnchen und Schweinefleisch), Paul Kässpätzle mit Tomaten und geschmälzten Zwiebeln, ich Marmorkuchen.
Als wir satt und glücklich die Teller zur Seite schieben, schlägt Nuri, deren Blick den Berg an schmutzigem Geschirr streift, eine interessante Wette vor:
Wer mit seinem Einkauf den kleinsten CO2-Fußabdruck verursacht hat, ist vom Spülen befreit.
Paul ergänzt nach kurzer Überlegung ein weites Battle:
Jeder schreibt auf einen Zettel, ob Vor-, Haupt- oder Nachspeise den höchsten CO2-Verbrauch hat.
Ich bin mir siegessicher, gebe der Vorspeise mit Fleisch keine Chance und notiere Nuri. Auf Nuris Zettel steht Paul wegen der Unmengen an Käse und auf Pauls 24, ledig, isst gern. Er ist überzeugt, dass Zucker, Schokolade und Butter den CO2-Fußabdruck der Nachspeise in die Höhe treiben.
Jetzt wird’s spannend!
Nuri zückt ihr Notebook und öffnet den Barmer CO2-Rechner für Einkäufe im Supermarkt. Sie beginnt mit ihrem eigenen Einkauf.
Doch zuvor geh kurz in Dich: Was tippst Du?
Vorspeise
300 gr Rote Beete –> 0,06 kg CO2
300 gr Zucchini –> 0,06 kg CO2
200 gr Hühnchen –> 1,1 kg CO2
200 gr Schweinefleisch (Bio) –> 1,04 kg CO2
200 ml Olivenöl –> 0,64 kg CO2
60 gr Bio-Ei (1) –> 0,18 kg CO2
Summe: 3,08 kg CO2
Hauptspeise
500 gr Mehl (Haferflocken)* –> 0,3 kg CO2
420 gr Bio-Ei (7) –> 1,26 kg CO2
400 gr Tomaten (deutsche „Wintertomate“, beheiztes Gewächshaus) –> 1,16 kg CO2
300 gr Zwiebeln –> 0,06 kg CO2
400 gr Käse –> 2,28 kg CO2
Summe: 5,06 kg CO2
Nachspeise
250 gr Butter (Bio) –> 2,88 kg CO2
250 gr Mehl (Haferflocken)* –> 0,15 kg CO2
300 gr Bio-Ei (5 x) –> 0,9 kg CO2
200 gr Zucker (Bio) –> 0,1 kg CO2
100 ml Milch (Bio) –> 0,17 kg CO2
50 gr Kakaopulver (Schokolade)* –> 0,2 kg CO2
Summe: 4,4 kg CO2
Das Ergebnis verblüfft uns alle drei und löst eine abendfüllende Diskussion aus. An deren Ende bleiben viele Fragezeichen stehen:
- Wieso verursacht Bio identische oder sogar höhere CO2-Emissionen?
- Wäre es sinnvoller gewesen Import-Tomaten zu verwenden?
- Wie wirkt der Einkauf mit dem Auto auf die Einkaufs-Bilanz? (Nuri und Paul waren aufgrund des Regens kurzerhand ins Auto gestiegen, um einzukaufen.)
- Wie lässt sich der jeweilige CO2-Fußabdruck für die gewählten Speisen reduzieren?
Letztere Frage wolle wir bald klären. Wir werden dazu das Menü wiederholen und beurteilen, ob sich einzelne Produkte ohne Geschmacksverlust austauschen lassen. Ich melde mich dann wieder. Zuvor muss ich noch spülen und Nuri für ihren doppelten Sieg feiern.
Barmer App: CO2-Fußabdruck Lebensmittel
Die Basiswerte für den CO2-Fußabdruck Lebensmittel sind einer Forschungsarbeit des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, kurz BMUV, (im Rahmen des KEEKS-Projekts) und des Umweltbundesamts entlehnt.
Die Produktpalette ist begrenzt. Der Rechner bietet trotzdem einen guten Eindruck, um ein wenig Licht in das eigene Einkaufsverhalten im CO2-Emissionen-verdunkelnden Supermarktdschungel zu bringen. Hätten wir einen sinnvollen CO2-Preis (s. CO2-Steuer – Wie funktioniert das?) würde sich der CO2-Fußabdruck eines Produkts merklich in dessen Preis widerspiegeln. Unser Einkaufsverhalten würde sich automatisch anpassen. Wir müssten uns beim Tomaten-Kauf im Winter nicht fragen: Greif ich zu den spanischen oder den Wintertomaten aus Deutschland (beheiztes Gewächshaus – vgl.: ifeu: CO2-Fußabdruck und weitere Umweltwirkungen von Gemüse aus Baden-Württemberg)?
Der CO2-Fußabdruck markiert den Einfluss eines Produkts auf den Klimawandel. Andere Einflüsse auf die Umwelt wie Wasser-Fußabdruck oder Belastung von Wasser, Luft und Boden durch Dünger und Pestizide sind nicht enthalten. Deshalb schneidet Bio-Obst und -Gemüse in der CO2-Lebenmittel-App meist nicht besser oder gar schlechter ab.
Anmerkung
* Produkt gibt es nicht in der App, gewähltes Ersatzprodukt in Klammern
• CO2 steht in diesem Beitrag für CO2-Äquivalente und schließt weitere Treibhausgase wie Methan und Lachgas mit ein.
Bild: Françoise Rondaij-Koch + OpenClipart-Vectors, Pixabay
Text: Maria-Josefa Hausmeister
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