Politik & Gesellschaft
#PassTheMic to Carolina – Klimaschutz in Kolumbien
People Care, Earth Care, Fair Share: Im Kleinen ändern, statt am Großen zu verzweifeln
Installation von Permakulturen, die sich am Fortbestehen und der Nachhaltigkeit orientieren, statt an Profit und Kapitalismus
Millionen von Menschen spüren tagtäglich die Auswirkungen des Klimawandels am eigenen Leib. Wir waren in den vergangenen Wochen mit sechs Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten aus der ganzen Welt im Austausch. Alle sechs erleben den Klimawandel in verschiedenem Ausmaß und versuchen auf ihre Weise die Folgen abzumildern.
Am 1. Dezember 2020 fand der erste virtuelle Talk unserer Reihe #PassTheMic über die weltweiten Auswirkungen der Klimakrise statt. Zu Gast war Carolina Sanjuan Cadavid aus Kolumbien.
Klimawandel: Situation in Kolumbien
In Kolumbien sind die Folgen des Klimawandels viel stärker und direkter spürbar als bei uns in Deutschland. Einerseits bleiben Regenfälle monatelang komplett aus, was zu Wassermangel und Waldbränden führt. Andererseits kommt es zu sintflutartigen Regenfällen. So verstärkt sich zum Beispiel das Wetterphänomen La Niña, das sich durch starke Regenschauer bis Hochwasser alle vier Jahre bemerkbar macht.
"In einer fragilen Umwelt in einem Land mit sehr agrikulturlastiger Wirtschaft haben Hitze- und Kältewellen sowie Erosion verheerende wirtschaftliche Auswirkungen. Diese "Climate Justice" trifft hier diejenigen, die sie am wenigsten zu verschulden haben, am stärksten." – Luis Paul Österle, Teilnehmer der Ringvorlesung
Back to the roots
Carolina wuchs in der Stadt Pamplona im Nordosten Kolumbiens auf. Dort studierte sie Soziologie und hegte den Wunsch, neben „intellektueller“ Arbeit, die Welt mit den Händen zu gestalten sowie gesellschaftliche und ökologische Veränderungen zu bewirken.
Während es die auf dem Land aufgewachsenen Kinder vermehrt zum Studieren und Geldverdienen in die Städte zieht, wollte Carolina raus aufs Land und zurück zur Natur. Nach ihrem Studium besuchte sie daher verschiedene Bauernhöfe, auf denen sie im Tausch gegen Nahrung und Unterkunft mitarbeitete und lebte.
Sie lernte, sich mit der Erde wieder zu vereinen und mit ihr und ihren Elementen – Erde, Wasser, Luft und Feuer – in Kontakt zu treten. Die Verbindung zu Mutter Erde und ihren Elementen hat sie zurück zu ihrem Körper gebracht.
„Die Erde merkt, wie man mit ihr in Kontakt tritt. Wir können von ihr lernen – etwa unseren Körper wieder als Teil der Mutter Erde zu erkennen, nicht als etwas Abgegrenztes“, sagt sie.
Heute lebt Carolina in einem kleinen Bergdorf im Südosten Kolumbiens – im Valle de Cauca, in der Nähe der Stadt Cali. Gemeinsam mit ländlichen Gemeinschaften arbeitet sie daran,
- Land zurückzugewinnen, das durch Profitgier von Großkonzernen übernutzt wird.
- die Agrarlandschaft zu diversifizieren.
- unabhängige, biologische Märkte in Cali für die Bäuer*innen aufzubauen.
"In eigentlich unglaublich diversen Ökosystemen führen Monokulturen von Exportgütern wie Kaffee, Kakao, Zuckerrohr, Bananen, sonstigem Obst und Gemüse zu immer mehr Erosion und Verarmung der Böden." – Luis Paul Österle, Teilnehmer der Ringvorlesung
Langfristig wirtschaften
Noch vor gut hundert Jahren bauten Bäuer*innen eine Vielfalt an Gemüsen und Früchten an, die auch ihrer Selbstversorgung dienten. Dann machten sich in Kolumbien große Firmen wie die United Fruit Company (heute Chiquita) breit. Und auch die Grüne Revolution, das Experimentieren mit besonders ertragreichem Mais und Weizen aus dem Labor, zwang, die Landbevölkerung vielerorts die Vielfalt zu zerstören und nur noch Monokulturen zu bewirtschaften – begleitet von Verarmung und Gewalt. Ein trauriges Beispiel für die Unterdrückung stellt das „Bananen-Massaker“ von 1928 dar.
„Durch die großen Konzerne und ihrer Monopolstellung verdienen die Bäuer*innen heutzutage kaum etwas. Ein möglicher Ausweg ist meiner Meinung nach, dass die Bäuer*innen ein eigenes Unternehmen aufbauen und ihre Erzeugnisse selbst vermarkten. Nur so können sie es schaffen, von ihrem Anbau zu überleben“, erklärt Carolina. Der gegenseitige Wissensaustausch sei dabei von großer Bedeutung. Akademiker*innen und Bäuerinnen und Bauern setzen sich zusammen an einen Tisch, um mit ihrem vereinten Wissen Veränderungen zu bewirken.
Von ihren Aufenthalten auf den Bauernhöfen hat Carolina viel mitgenommen. So lernte sie dort das Konzept der Permakultur kennen. Permakultur beschreibt eine nachhaltige und langfristige Bewirtschaftungsform, die für Widerstandsfähigkeit und Diversität im Anbau sorgt, mit geringem Ressourcenaufwand (Energie, Zeit oder Geld) auskommt und achtsam mit der Natur umgeht. Sie legt einen Fokus auf den Rhythmus, den die Natur vorgibt, anstatt von Profit und Kapitalismus getrieben zu sein.
Ihr liegen drei Grundsätze zugrunde (Soziales, Umwelt und Ökonomie), die auch Carolinas Lebensphilosophie beschreiben: "People Care, Earth Care, Fair Share":
- Achtsamer Umgang mit sich selbst und allen Menschen. Alle Menschen haben das gleiche Recht auf Zugang zu allen Lebensgrundlagen.
- Achtsamer Umgang mit der Erde.
- Gerechte Verteilung und achtsame Nutzung von Ressourcen.
Durch Geopoetik eine neue Lebenswelt erschaffen
Auf den Bauernhöfen startete ihr Weg in die Geopoetik: der Poesie vom Anbau unterschiedlichster Nahrungsmittel und all ihrer Farben, mit dem Ziel, ein Stück Selbstbestimmung über das eigene Territorium zurückzugewinnen. „Jeder hat Gaben und Talente, die er oder sie einbringen kann“, ermutigt Carolina.
Statt an dem akuten Notstand unseres Planeten zu verzweifeln, ruft sie dazu auf, organisch und im Kleinen Veränderungen zu bewirken.
Auf ihrem persönlichen Weg hat ihr dabei das Buch Aktive Hoffnung sehr geholfen. Demnach kann jede*r von uns seinen*ihren Teil (entsprechend der eigenen Möglichkeiten) zu einer sozial-ökologischen Transformation beitragen. Ist unsere Intention davon geprägt, dass es der Welt gut geht, dann ist nicht nur unsere Arbeit erfüllend, sondern wir können der Krise auch leichter begegnen.
Carolina selbst sieht ihren Platz im Schöpfen von Geopoetik, im Aufbau von Permakulturen und unabhängigen Märkten, dem Empowerment von Frauen sowie der Erhaltung und Weiterverbreitung von traditionellem Wissen, sei es durch Zeremonien oder Workshops.
Als heilsamer Prozess für die innere wie auch die äußere Welt legt sie uns ans Herz, zu singen: „Musik ist ein Weg, mit der Mutter Erde in Verbindung zu treten und ihr unsere Dankbarkeit auszudrücken.“
Danke sagen, möchten wir an dieser Stelle auch Carolina, die uns auf eine informative und spirituelle Reise mitnahm und uns so ganz neue Blickwinkel und Annäherungsweisen an das Thema Klimaschutz vermittelte.
Du bist gespannt auf Carolina und unsere Talk-Runde zu #PassTheMic: Kolumbien? Dann schau ins Video:
Veranstaltungsreihe #PassTheMic – Junge Gesichter weltweit gegen den Klimawandel
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