Politik & Gesellschaft
#PassTheMic to Renee
Klimaschutz auf den Philippinen
Millionen von Menschen spüren tagtäglich die Auswirkungen des Klimawandels am eigenen Leib. Wir waren in den vergangenen Wochen mit sechs Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten aus der ganzen Welt im Austausch. Alle sechs erleben den Klimawandel in verschiedenem Ausmaß und versuchen auf ihre Weise die Folgen abzumildern.
Am 15. Dezember 2020 sprachen wir im Rahmen der Reihe #PassTheMic mit Renee Karunungan aus den Philippinen. Sie ist in ihrer Heimat eine der führenden Stimmen für die Klima- und Umweltrechte.
Eine Aktivistin erwacht
Renee stammt aus einer konservativ-katholischen Familie auf der Insel Luzon. Ihre Schulzeit verbrachte sie auf privaten, katholischen Mädchenschulen:
„Das erste Mal, dass ich die Regeln missachtete, war in der zweiten Klasse: Ich fragte meine Religionslehrerin, nachdem sie uns erklärte, wir müssen alle zwei Wochen zur Beichte, «Was, wenn ich nichts mehr zu bekennen habe?». Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass ich Regeln und Traditionen hinterfragen kann.“
In ihrem letzten Jahr auf der Highschool wurde sie Chefredakteurin und erkannte, dass sie ihr Schreiben nutzen kann, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Während ihres Studiums trat sie dann einer Organisation von Künstler*innen und Aktivist*innen bei, die sich für Menschenrechte und Klimagerechtigkeit einsetzten. Schon bevor sie mit ihrer gemeinnützigen Arbeit dort als eine der „Ten Outstanding Students of the Philippines“ gewürdigt wurde, wusste sie, dass das genau das ist, was sie in ihrem Leben machen will. Schließlich wurde sie für ihre gemeinnützige Arbeit als eine der zehn herausragenden Studierenden der Philippinen ausgezeichnet.
Leben als Vollzeitaktivistin & Menschenrechtsverteidigerin
Nach ihrem Uniabschluss begann sie eine Vollzeitstelle als Menschenrechtsverteidigerin bei eben jener Organisation. Vier Jahre lang leitete sie dort Kampagnen zu Menschenrechten und Klimagerechtigkeit. Dazu gehörten viele Workshops für junge Menschen, um sie über diese Themen aufzuklären.
In der Problematik der Klimagerechtigkeit sah sie die Schnittmenge aller Fragestellungen, die sie beschäftigte, so dass sie sich zunehmend darauf konzentrierte.
„Heute bin ich Aktivistin, Migrantin, Feministin, Akademikerin und Autorin. Ich besetze viele Räume zur gleichen Zeit. Die Leute fragen mich, was ich denn wirklich mache. Ich sage, ich mache alles, was ich machen will.“
Renee veröffentlicht Artikel über den Klimawandel in lokalen und internationalen Zeitungen und auf Nachrichtenwebseiten. Daneben leitet sie Klimajournalismus-Workshops. 2015 nahm sie zudem an der UN-Klimakonferenz in Paris teil.
Ihre Arbeit erhielt Aufmerksamkeit, so dass es 2016 zu Morddrohungen und Mobbing auf Facebook gegen sie kam. Mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen und deren Anwält*innen reichte sie Klage ein. Der Fall ist noch immer vor Gericht.
„Die Philippinen sind einer der gefährlichsten Orte der Welt, um als Aktivist*in oder Journalist*in zu arbeiten“, sagte sie in unserem Talk.
Zu ihrer eigenen Sicherheit verließ sie die Philippinen, nahm ein Stipendium der britischen Regierung an und schloss einen Master in Medien und Internationaler Entwicklung ab. Im Jahr 2019 begann sie in England ihre Promotion. Thema: Wie wirkt sich Facebook auf die Politik in den Philippinen aus.
Foto: Während des Taifuns Ondoy in 2009 fiel die Menge Regen eines ganzen Monats innerhalb von 5 Stunden. Komplette Straßen in der philippinischen Hauptstadt Manila standen bis zu einer Woche unter Wasser und waren nur schwimmend passierbar.
Klimaauswirkungen auf den Philippinen – „Unsere Gegenwart wird eure Zukunft sein“
Die Philippinen sind sehr anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels:
- Anstieg des Meeresspiegels
- zunehmende Häufigkeit von extremen Wetterereignissen
- steigende Temperaturen
- extreme Regenfälle
Im November 2020 kam es nach gleich fünf Wirbelstürme innerhalb von drei Wochen zu Überschwemmungen ganzer Städte. Vor allem die Küstengebiete, in denen die Mehrheit der Bevölkerung lebt, waren betroffen. Durch die steigenden Temperaturen wird sich die Stärke der Taifune in den nächsten 100 Jahren verdreifachen. Denn es gilt: Je wärmer der Ozean, desto stärker der Taifun.
Stories from Ground Zero – Geschichten von Überlebenden der Taifune
„Hören Sie den Einwohnern der Länder zu, die von der Klimakrise am stärksten betroffen sind“, fordert Henrie Diosa Jimenez aus Marikina in der Nähe von Manila uns auf. Die zweiundzwanzig Jährige hat zu Hause schon dreimal Überschwemmungen erlebt. Das ganze Erdgeschoss war überflutet. „Freunde und Freundinnen haben uns geholfen, aufzuräumen und uns finanziell unterstützt, so dass wir zurück konnten. Aber wie oft können sie das noch machen?“
Foto: Henrie aus Marikina berichtet, wie sie nach den Taifunen zusammen mit ihren Schwestern ihr Zuhause verlassen musste und von Soldaten gerettet wurde.
Jerome, ein weiterer Freund Renees, erzählt, während er im November 2020 knietief in braunem Wasser steht und für uns Aufnahmen macht: „Nach den letzten großen Taifunen haben wir schon Anpassungen vorgenommen. So haben wir zum Beispiel unseren Wohnraum in den zweiten Stock unseres Hauses verlegt. Aber selbst das hat diesmal nicht ausgereicht.“
Foto: Jerome berichtet, wie sein Haus – und damit Möbel und Wertgegenstände – nach den Taifunen im November 2020 6 Meter tief unter Wasser stand.
„Die Menschen verlieren all ihr Hab und Gut in den Taifunen und gleichzeitig auch ihre Investitionen“, berichtet Renee. „Sie haben kein Geld, ihre Unternehmen und Häuser wieder aufzubauen.“ Sie weist daraufhin, dass wir genau hier sehen können, wie soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit ineinander verschmelzen.
Foto: Im November 2020 überschwemmten Taifune innerhalb von 3 Wochen 5 Mal die Städte. Familien warten mit Kindern und Haustieren auf den Dächern ihrer Häuser auf Rettung – manchmal bis zu zwei Tage.
Schadensbegrenzung – Was können wir tun?
Zum Schluss mahnt Renee, dass wenn wir jetzt nicht anfangen, aktiv zu werden, werden wir in Deutschland in 50 Jahren das erleben, was die Philippinen gerade durchmachen.
„Wir fordern Klimagerechtigkeit von den Ländern und Industrien, die den Klimawandel verursacht haben. Wir sind nicht die Schuldigen! Und doch wir sind es, die die Hauptlast der Auswirkungen des Klimawandels tragen“, sagt sie und zitiert dann die stellvertretende UNO-Generalsekretärin Amina J. Mohammed: „Wir sind die letzten Menschen, die eine Katastrophe auf dem Planeten verhindern können. Wir haben keine Entschuldigung für ein Scheitern.“
Auf die Frage hin, was wir hier in Deutschland konkret tun können, hat Renee gleich drei Antworten parat.
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Kollektive Maßnahmen (Systemischer Wandel)
Wir müssen gemeinsam handeln, also uns zusammenschließen und auf einen Kurswechsel in der Politik in unseren Städten und Gemeinden drängen. „Sprecht mit euren Bürgermeistern oder mit euren Nachbarn“, ermuntert uns Renee. -
Individuelle Maßnahmen (Verhaltensänderung)
Jede*r kann ihren/seinen Teil zum Klimaschutz beitragen und CO2-Emissionen durch die eigene Konsum- und Lebensweise einsparen. -
Globale Klimapolitik
Zeigt eure Unterstützung für internationale Politik wie die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Außerdem können wir uns an Politiker*innen wenden und mit ihnen darüber sprechen, wie wir gerechter – besonders im Hinblick auf Entwicklungsländer – gegen den Klimawandel vorgehen können.
Du bist gespannt auf Renee und unsere Talk-Runde zu #PassTheMic: Philippinen? Dann schau ins Video:
Veranstaltungsreihe #PassTheMic – Junge Gesichter weltweit gegen den Klimawandel
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