Superfood wächst im Container?!

Urban Greens Workshop

Weniger Wasserverbrauch, weniger Dünger, weniger Ernteausfälle und ganzjährige Ernten, keine Pestizide, kürzere Transportwege und vieles mehr bringt das Konzept des Vertical Farming. Wir durften beim Workshop am 25. September und 6. November 2021 die innerstädtische Farming Methode kennenlernen und selbst Hand anlegen beim Sammeln, Anpflanzen, Ernten und anschließendem Kochen. Doch jetzt nehmen wir Dich erst einmal mit auf unsere Pflanzen-Reise und zeigen Dir was mittlerweile alles möglich ist.

Wildkräuter: sammeln, pflanzen, gießen – genießen

Giersch, Spitzwegerich, Rainkohl, Knoblauchsrauke und Nelkenwurz – die kunterbunte Wiese ist ein Paradies für verloren Geglaubtes.
Der Urban Greens Workshop startete um 10 Uhr in Stuttgart-Vaihingen, direkt beim Fraunhofer IAO. Unsere Mission: essbare Kräuter finden. Für die Jäger und Sammler aus einer anderen Zeit wäre dies leichtes Spiel gewesen. Wir aber mussten erst alle Kräuter kennenlernen. Zum Glück hatten wir mit Isabelle Paak eine Wildkräuterexpertin dabei. Isabelle hat uns hierfür ein Infoheft erstellt und gezeigt, worauf es beim Sammeln ankommt. Dann ging es los. Doch statt wie sonst, rücksichtslos alles platt zu trampeln, musterten wir jede Pflanze genau und füllten unseren Korb mit grünen Schätzen.

Was bringen mir die Kräuter?

Bei unserer Suche sind wir auch auf meine beiden Favoriten Giersch und Knoblauchsrauke gestoßen:

Der Giersch hat doppelt so viel Vitamin C wie Grünkohl und viel Provitamin A, liefert viel pflanzliches Eiweiß, wirkt entzündungshemmend, regt die Verdauung an und ist überhaupt ein Superkraut. Erkennen lässt er sich leicht an seiner Form: "Drei, drei, drei – bist beim Giersch dabei!" Der Blattstängel hat eine dreikantige Form. Vom Stängel gehen drei Blattgruppen ab, die wiederum dreifach unterteilt sind. Auch der Name "Geißfuß" ist für den Giersch bekannt. Finden kannst Du ihn im Garten als robustes Unkraut oder auch in Parks, an Hecken und lichten Wäldern – nach der Schneeschmelze. Wenn Du Lust hast, ein Gericht mit Giersch zuzubereiten, kannst Du ihn ab Februar/März bis in den Herbst hinein ernten. Besonders die alten Blätter schmecken würzig.

Eindeutiger lässt sich die Knoblauchsrauke identifizieren. Der Name ist Programm: sie schmeckt und riecht nach Knoblauch, wenn man am Blatt etwas reibt. Auch dieses Gewächs ist reich an Vitaminen, insbesondere Vitamin A und C und sie enthält Mineralien. Sie galt in der Volksmedizin auch als Heilmittel, da sie antibakteriell und keimtötend wirkt. Ihre weiteren Superkräfte sind: harntreibend, blutreinigend sowie verdauungsfördernd. Anfang Mai bis Ende Juni freut sich das Wildkraut gesammelt zu werden, da es zu diesen Zeitpunkten besonders reich vorkommt. Die Knoblauchsrauke braucht es schön feucht, schattig und nährstoffreich, um ausgiebig wachsen zu können – wie an Waldrändern oder Hecken. Falls Du sie findest, kannst Du u.a. auf Details an den Blättern achten. Sie variieren zwar, aber es gibt dennoch ein Erkennungsmuster: Die Blätter nahe am Boden sind eher rundlich/nierenförmig, die zur Triebspitze hin haben eine dreieckige Grundform mit eindeutiger Spitze und sind wechselseitig am Stängel angeordnet.

Wenn Du die Pflanzen noch genauer kennenlernen und wissen möchtest, worauf Du noch bei Deiner Suche achten solltest, dann schau gerne hier rein. Falls Du Dir zudem noch unsicher bist, ob die gefundenen Kräuter, die richtigen sind, dann kannst Du auch eine App zur Hilfe nehmen wie Flora Incognita, die wir Dir auch auf Instagram auf Empfehlung von Isabelle vorstellen. Du kannst Dich außerdem erstmal auf nur einen Kräutertyp spezialisieren und bei steigender Erfahrung weitere Kräuter aufnehmen.

Genug gesammelt

Lass uns pflanzen? Einige Kräuter wie der Giersch lassen sich auch super im Garten oder auf dem Balkon groß ziehen. So hast Du Dein Superfood direkt vor der Haustür. Da jede Pflanze individuelle Bedürfnisse hat, erklärt Dir das Portal meine ernte worauf es ankommt und welche Kräuter sich für den eigenen Anbau anbieten.

Der Container als Ort des Wachsens

Nachdem wir alle Kräuter beisammen hatten, starteten wir im Innenhof des Fraunhofer IAO mit den Vorbereitungen: Pflanzen runter schneiden, in einen Netztopf mit Substrat packen und diesen in eine Styroporplatte in ein Wasserbehältnis mit weiteren Pflanzen der gleichen Sorte positionieren. Für die Samen gilt das gleiche Prinzip, nur, dass sie auf Torf einem Substrat angedrückt werden. Ganz nach hydroponischem System.

Im Anschluss haben wir die Kisten nach und nach auf mehrere Etagen Im Container verteilt. Durch die Etagen gab es rechts und links auf den Schienen genug Platz für alle Kisten und Kräutersorten. Für das optimale Pflanzenwachstum gibt es dazu ein paar Tricks, wie die Installation von Luftpumpen, die Sauerstoff ins Wasser sprudeln und damit auch das Algenwachstum unterbinden. Durch weitere Tools, wie Temperatur-Einstellungen haben wir es den Pflanzen im Container ordentlich gemütlich gemacht – sie sollen ja prächtig gedeihen. Für noch mehr Komfort sorgen die rot-gelben LED-Lämpchen über den Kräutern.

Sechs Wochen Wachstum später

Die Tür des Containers öffnete sich und ein grünes Paradies erstrahlte. Tatsächlich hat der Container den Setzlingen sehr gut getan. Sie haben über die Wachstumszeit kräftig zugelegt, sodass wir sie ernten und wiegen konnten. Im Anschluss ging es zum besten Teil über: Essen. Schließlich mussten wir testen, ob das System tatsächlich taugt. Zusammen mit Chefkoch Marius Schlatter haben wir in der EVA Stuttgart ein 3-Gänge-Menü gezaubert: Schneiden, rösten, mixen – jeder durfte ran. Zum Schluss gab es ein gemeinsames Abschlussessen mit tiefgrünen Gesprächen.
Auf unserer Karte standen gemeinsam mit unserem im Container kultivierten Star der Küche:

  • geröstetes Vollkornbrot mit Frischkäse verfeinert mit unseren selbst gepflanzten Kräutern
  • Blumenkohlpüree mit verschiedenen Texturen, dazu gehören Asche-Rauch- und Säurearomen                               
  • Bete Carpaccio mit Senf-Dressing, eingelegten Birnen und einer Wildkräuterdeko

Die essbaren Wildkräuter passen fast immer. Tobe Dich einfach kreativ aus!

Falls Du nach weiterer Inspiration suchst, stellen Dir Chefkoch oder kraut&rüben weitere Rezepte mit Wildkräutern vor.
Zuletzt gingen wir nach dem Durchprobieren alle kugelrund nach Hause und haben einige neue Eindrücke mitgenommen:

  • Für die Aschearomen darf man in der Küche ruhig mal etwas anbrennen lassen – natürlich kontrolliert! Für uns opferte sich der Lauch. Ein super Hingucker und laut Marius in Maßen sogar gesund!
  • Viele Superfoods gibt es bei Dir und mir direkt um die Ecke.
  • Wir sind vertraut mit einer ressourcenschonenderen Variante des Pflanzenanbaus.
  • Und kennen verschiedene Rezepte mit Wildkräutern, die sich ganz einfach variieren lassen

Veränderung der Supermärkte?

Wie es in Zukunft weitergehen wird, bleibt spannend. Vielleicht hast Du schon mal in einem Supermarkt in der Obst- und Gemüseabteilung ein Gewächshaus stehen sehen. Dort nutzen sie die Fläche, um frische Kräuter, zum Beispiel Basilikum, Petersilie und Co. direkt bei den Konsumenten wachsen zu lassen. Solche Projekte sind vor allem Startups wie AeroFarms angegangen, um Vertical Farming den Menschen näher zu bringen.

  • Was denkst Du darüber?
  • Was wird uns die Zukunft noch so bringen und kann es unsere derzeitigen Probleme durch seine Vorteile lösen?

Text: Lavinia 
Bilder: Jedrzej Cichocki und Lavinia Zerbo

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