Politik & Gesellschaft
Traditionelles Wissen gegen den Klimawandel
Sophias Praktikum bei der NGO KAKUTE in Tansania
Sophia reiste mit ihren Eltern in frühen Jahren von Freiburg nach Südafrika. Auch wenn sie heute fast keine Erinnerung mehr daran hat, so haben diese Reisen ihr Feuer für den afrikanischen Kontinent entfacht. Nach dem Abi gab es daher für sie nur ein Ziel: Menschen und ihre Umwelt kennenlernen in Uganda, Namibia, Ruanda, Zimbabwe und Côte d'Ivoire. Ein Jahr lang zog sie mit Workaway von Land zu Land und half auf Farmen – immer interessiert an der Komplexität der Probleme und Herausforderungen von Umweltthemen in Zusammenhang mit dem Klimawandel.
Bachelor: Menschen und Umwelt
Zurück in Deutschland fiel ihre Wahl auf den Studiengang Mensch und Umwelt (B.Sc). Interdisziplinär verbindet dieser Human- mit Umweltwissenschaften. Sie war glücklich mit der Wahl des Studiums – und trotzdem rief bereits im 3. Semester erneut die Ferne. Als Erste ihres Studiengangs absolvierte sie ein Auslandssemester – in Eigenregie als sogenannte Freemover nach einem intensiven Planungsjahr. Von den, von ihr selbst kontaktierten, Hochschulen meldete sich die University of Ghana in Accra zurück. Sophia organisierte sich ein Stipendium und los ging’s. Vor Ort betrieb sie neben ihrem Unialltag Feldforschung. Sie erhob Daten zur Meinung und dem traditionellen Wissen von Farmer*innen bezüglich Agroforst im Kakaoanbau und wie dieses traditionelle Anbausystem als Klimaanpassungsstrategie im Kakaoanbau helfen kann.
In ihrer Bachelorarbeit mit dem Titel Sustainable cocoa production in Western region of Ghana: Perceptions about shaded cocoa farming in Ghana amid climate change – a bottom-up approach kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Menschen vor Ort selbst am besten wissen, wie sie sich an den Klimawandel anpassen können (bottom-up). Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrnehmung der Agroforstwirtschaft zwar überwiegend positiv ist, dies jedoch keinen Einfluss auf die Motivation der Landwirte hat, zusätzliche Bäume zu pflanzen, um das Klima zu schützen – jedoch um ihre Ernten zu steigern und ein zusätzliches Einkommen zu generieren.
Agroforst – ein Thema, das sie bis heute begleitet
Agroforst ist die Rückbesinnung auf das Know-how des traditionellen Anbaus von beispielsweise Kaffee, Kakao oder Mais in der Zeit vor den Monokulturen. Die meisten afrikanischen Länder sprangen zwar erst Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre auf den Monokultur-Zug auf, doch die Folgen sind verheerend. Besonders vor dem Hintergrund, dass Landwirtschaft vor allem von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern betrieben wird, die oft nicht mehr als einen halben bis zu einem Hektar Land bewirtschaften. Fällt eine der zwei Ernten pro Jahr aus, fehlt das Einkommen. Mit der Wiederverbreitung des schattenspendenden Systems des Agroforsts versuchen NGOs und auch die großen entwicklungspolitischen Organistionen wie GIZ und UNO den Auswirkungen des Klimawandels, die in Tropischen Ländern wesentlich spürbarer sind als bei uns, entgegenzuwirken. Als Schattenspender in Dürreperioden oder Abfänger heftiger Regenfälle kommen Bäume wie Mango, Avocado, Akazien, Eukalyptus oder Macadamia zum Einsatz.
Weitere Vorteile: Der Verkauf der Früchte oder Nüsse stellt eine zusätzliche Einkommensquelle dar. Biodiversität (Artenvielfalt) – etwa durch Bananenstauden als Zwischenpflanzen – führt zu nährstoffreicherem und mit Wurzelwerk durchzogenem Boden. Dies macht ihn weniger anfällig für Erosion. Dünger und Pflanzenschutzmittel können sparsamer eingesetzt werden oder gar ganz entfallen.
Foto: KAKUTE Projects, Tanzania
Es folgen Praktika bei GIZ, UNO und DEAB
Zurück an der Uni knüpfte Sophia Kontakte zu Menschen und NGOs, die in Europa die Entwicklungspolitische Zusammenarbeit vorantreiben. Nach diversen Praktika bei den großen Organisationen der Brache wie GIZ und UNO traf sie auf Dr. Firesenai Sereke, der in Genf (Schweiz) die NGO Edhen leitet. Firesenai arbeitet mit verschiedenen kleineren NGOs in Afrika zusammen. Sophia war begeistert von dem ganzheitlichen, partizipativen Ansatz, welcher die lokalen Stakeholder unterstützt und angepasste Lösungen gemeinsam entwickelt.
Regenerative Lösungen wie Agroforstwirtschaft, sowie nachhaltige Wasser- und Energie-Versorgung stehen hier im Mittelpunkt. Dabei stützen sich ihre Analysen vor allem auf das traditionelle Wissen der Kleinbauern. Die NGO in der Schweiz fördert vor allem eine interdisziplinäre & interkulturelle Zusammenarbeit, schreibt Förderanträge, praxis-relevante Reports & wissenschaftliche Publikationen.
Die NGO KAKUTE Projects in Tansania
Sophia lernte die Zusammenarbeit der NGO in Genf mit den Partnern in Afrika von beiden Seiten kennen. Dazu verbrachte sie Anfang 2024 vier Monate in Tansania – als Praktikantin bei KAKUTE Projects. An der Seite der Mitglieder der NGO KAKUTE war sie vor Ort dabei, bei Gesprächen mit Kleinbauern, beim Sammeln und Auswerten von Informationen und Erörtern von Umstellungsplänen der Anbauflächen auf Agroforst. Zudem erhielt sie Einblicke in die Strukturen vor Ort: Besitzverhältnisse, Pachtverträge, Abhängigkeiten, Macht- und Marktstrukturen. In der KAKUTE-Zentrale flossen die Ergebnisse der Feldforschung in ein gemeinsames Proposal zu klimaresilienten Farmen ein.
Strom – Jobs – Junge Menschen halten
Neben Agroforst hat die NGO KAKUTE einen weiteren Arbeitsschwerpunkt: Gezielte Installationen von Solarpanels. In manchen Dörfern Tansanias gibt es keinen Strom, weshalb junge Menschen in die Städte abwandern. Oft sind es aus unserer Sicht Kleinigkeiten, wie die nicht vorhandene Möglichkeit ein Handy aufzuladen, Musik zu hören oder Fußballspiele im TV zu verfolgen. Schwerwiegender ist etwa das Fehlen von Internet zur Weiterbildung oder die berufliche Perspektivlosigkeit.
Bei einem Projekt, das in die Praktikumszeit Sophias fiel, nahm KAKUTE nach Abstimmung mit einer Gruppe junger Erwachsener einen Kühlschrank in Betrieb. Die NGO schuf so nicht nur Arbeitsplätze. Dadurch, dass es jetzt kalte Getränke im Dorf gab, entstand zugleich ein zentraler Ort.
Kakute und Kopenhagen
Zurück aus Tansania erhielt Sophia ein Erasmus-Stipendium für den Erasmus Mundus Joint Master Global Forestry, das sie an verschiedene Unis in Europa führt. Aktuell ist sie in Kopenhagen. Die Inhalte ihres Studiums drehen sich weiterhin um Menschen und Wälder, Klimawandel und entwicklungspolitische Zusammenarbeit.
Tansania, die NGO KAKUTE und der Bottem-up-Ansatz leben nicht nur in ihrem Herzen weiter. Sophia ist noch immer in das gemeinsame Projekt eingebunden und unterstützt mit Recherche- und Vernetzungsarbeit aus der Ferne.
Text: Dirk Klaiber
Bilder: Sophia Gödde
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