Reisen & Mobilität
Verkehrswende – so wird’s klappen
Was wir von der Fahrradstadt Kopenhagen lernen können
Kopenhagen ist eine der fahrradfreundlichsten Städte weltweit. Doch was trug dazu bei, dass aus Kopenhagen die Fahrradstadt wurde, die sie heute ist? IASS-Wissenschaftlerin Theresa Kallenbach untersuchte die Berichterstattung in dänischen Tageszeitungen und fand heraus:
- Verkehrssicherheit stand im Zentrum des Diskurses.
- Der Umweltschutz spielte keine Rolle.
Schon in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren demonstrierten Zehntausende in Kopenhagen für mehr Radwege – mit Erfolg. Heute sind die Kopenhagenerinnen und Kopenhagener mit ihren Radwegen zufrieden:
- 84 Prozent bewerten die dänische Hauptstadt als gute Stadt für Radfahrende
- 77 Prozent fühlen sich beim Radfahren sicher
- 49 Prozent fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit, Schule oder Ausbildung
- 28 Prozent aller Wege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt
Kallenbach leitet aus ihrer Anaylse diese vier Hauptgründe für eine erfolgreiche Verkehrswende ab:
1. Schlagendes Argument: Verkehrssicherheit
Um 1980 waren die dänischen Zeitungen voll von Unfallmeldungen und Nachrichten über Verkehrssicherheit. Grund dafür: Medien lieben schockierende Themen. Kallenbach sagt dazu: „Verkehrssicherheit ist hier herausragend geeignet: Das Thema ist lokal, aktuell, konkret und es betrifft sogar die Sicherheit von Leib und Leben. Das Thema Verkehrssicherheit ist daher auch im aktuellen Diskurs erfolgsversprechend, es dient häufig als Grundlage für Forderungen nach einer vom Autoverkehr getrennten Radinfrastruktur.“
2. Umweltschutz lässt sich auch erreichen, ohne über ihn zu sprechen
Umweltschutz spielte für die verkehrspolitische Debatte vor 40 Jahren keine Rolle. Trotzdem: „Die damals erkämpften Radwege bieten aber nicht nur Schutz vor Unfällen, sondern auch den Platz und Anreiz für die umwelt- und klimafreundliche Mobilität des Radfahrens."
3. Argument: „starke“ und „schwache“ Verkehrsteilnehmende
Forderungen nach sicherer Radinfrastruktur wird aktuell mit Beschuldigungen der Radfahrenden begegnet. Diese führen über Rot, auf dem Gehweg und überhaupt entgegen allen Regeln. Das war auch schon im Kopenhagen der 70er und 80er Jahre so. Damit wird die Diskussion verlagert: Weg vom Ausbau der Radwege, hin zu rücksichtslosen Bikern.
Wenn dieses Fehlverhalten nicht einzelnen Personen, sondern einer Gruppe von Verkehrsteilnehmenden zugeschrieben wird, dann könne dies hingegen hilfreich sein: „Wenn die Radfahrenden ‚immer‘ die Zufußgehenden gefährden, dann brauchen sie offensichtlich einen eigenen Radweg. Wenn die Autofahrenden gar nicht anders können, als die Radfahrenden zu bedrängen, dann müssen sie baulich von den Radfahrenden getrennt werden.“ Dem diene auch die Bezeichnung von „starken“ und „schwachen“ Verkehrsteilnehmenden – hier wird eine verschieden hohe Gefährdung durch Unfälle pauschal bestimmten Gruppen zugeordnet, die dieser Logik nach baulich getrennt werden müssen, um sicher von A nach B zu kommen.
4. Gegner müssen benannt werden – aber als potenzielle Verbündete
In den dänischen Zeitungen wurden die Autos als Gefahrenquellen für die Radfahrenden beschrieben – dargestellt als unberechenbare, unbelebte Objekte, die mittels der passenden Infrastruktur einzuhegen seien. Die Gegner in den Erzählungen waren andere: Kommunen etwa, die keine Radwege bauen, oder Eisenbahngesellschaften, die sich der Radmitnahme durch Passagiere verweigern. Doch die Erzählungen verteufelten sie nicht als „böse“: Es wurden Forderungen an sie gerichtet, die sie theoretisch erfüllen könnten, um aus der Rolle der Gegenspieler*innen heraus und in die Rolle der Helfenden hineinzuschlüpfen, ohne befürchten zu müssen, ihr Gesicht zu verlieren.
Quelle: iass-podsdam.de
Bild: Leif Linding, Pixabay
Deine Meinung zählt